Mit dem Jahr zwei der Pandemie geht erneut ein besonders herausforderndes Anlagejahr zu Ende. Neben dem Dauerthema der Infektionswellen verschiedener COVID-Virusvarianten beschäftigt die Marktteilnehmer vor allem die seit Frühjahr 2021 merklich steigenden Inflationsdaten und damit verbunden eine mögliche geldpolitische Wende der Notenbanken.
Die aufflammende Preisdiskussion des vergangenen Jahres führte zu einem häufigen Favoritenwechsel. Die COVID-Gewinner- und Verliererbranchen standen je nach Nachrichtenlage abwechselnd im Anlagefokus und wurden gekauft oder verkauft. So kamen speziell die Technologiewerte der zweiten Reihe seit Mitte Februar mit den steigenden Inflationsdaten massiv unter Druck und verloren in Wellen bis Jahresende rund 35%. Ebenso verzeichneten viele chinesische Werte deutliche Verluste. Hier belastete, neben den regulatorischen Eingriffen der chinesischen Regierung im Technologiesektor, vor allem die Sorge um den in Schieflage geratenen Immobilienkonzern Evergrande.
Währenddessen konnten die US-Mega-Techs weitere Zugewinne verbuchen. Energie- und Finanzwerte feierten ein Comeback, unterstützt vom Anstieg der Rohstoffpreise und steigender Zinserwartungen. Der breite Markt der mittelkapitalisierten Unternehmen gewann knapp zweistellig. Dieses Wechselbad und ein Blick auf die großen Indices, welche aufgrund der hohen Gewichtung der Mega-Techs (Anteil am MSCI World 27%!) gut performten, konnten bei den Marktteilnehmern dieses Jahr trotz Gewinnen zu Frustration führen. Die marktbewegenden Themen des Jahres 2021 bleiben uns zunächst auch im neuen Jahr erhalten.
Die neueste COVID-Variante Omikron, welche sich im Herbst mit erschreckender Ansteckungsrate zunächst in Südafrika und Großbritannien ausbreitete, hat zum Jahresende auch den Rest der Welt erreicht und überlagert die zuletzt dominante Delta-Variante. Diese Situation stellt gerade in der aktuell kalten Jahreszeit Regierungen und Gesundheitssysteme weltweit vor enorme Probleme, trotz der Fortschritte bei den Impfquoten. Erste Daten sprechen allerdings dafür, dass die neue Variante trotz höherer Ansteckungsraten einen wesentlich milderen Krankheitsverlauf aufweist. Hierdurch werden Hoffnungen geweckt, dass Omikron zu einem endemischen Verlauf der Pandemie führen könnte.
Dennoch besteht die Gefahr, dass die Infektionen deutlich zunehmen, und es zu massenhafter Quarantäne, Personalausfällen, Kontaktbeschränkungen und als Folge zu einer starken Belastung der kritischen Infrastruktur sowie zu einem erneuten Unterbrechen der Wirtschaftstätigkeit und der Lieferketten kommen kann. Dieses Szenario einer schnell fortschreitenden Infektionswelle würde zu Jahresbeginn dann nochmals zu starken Belastungen in vielen Bereichen der Gesellschaft führen, könnte dann jedoch ab Sommer zusammen mit überarbeiteten Impfstoffen und Medikamenten zu einer Entspannung der Pandemiesituation beitragen.
Für die Märkte und Anlageklassen wird zudem die Liquiditätssituation im neuen Jahr entscheidend sein. Fakt ist, dass die Zentralbanken beginnen, den Geldfluss langsam zu reduzieren. Die FED wird, neben dem Abbau der monatlichen Anleihekäufe, sehr wahrscheinlich auch die ersten Zinsanhebungen in 2022 durchführen. Auch für die EZB nimmt der Handlungsdruck spürbar zu. Die entscheidende Frage wird also sein, ob die Inflationswerte im Jahresverlauf tatsächlich innerhalb der erwarteten Normalisierung bleiben. Auch wenn das Anstiegstempo der Geldmenge zuletzt etwas nachgelassen hat, ist das Geldmengenwachstum global betrachtet weiterhin hoch und sollte die Märkte auch in 2022 unterstützen.
Aktien sind zwar historisch gesehen eher teuer, aber aufgrund des hohen Gewinnwachstums der Unternehmen ist dies bisher zu rechtfertigen. Die Zinsen bewegen sich derzeit in engen Bandbreiten, weil die Notenbanken und Volkswirte betonen, dass es sich nur um vorübergehende Preiseffekte handelt und mittelfristig wieder niedrigere Inflationsraten erwartet werden. Hierfür sind, neben der Entwicklung der Nachfrage, insbesondere die zukünftige Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise sowie der Anstieg der Lohnkosten entscheidend. Positiv wirkt sicherlich das Auslaufen der Basiseffekte im Vergleich zum Preiskollaps des Jahresanfangs 2020.
Negative Auswirkungen hingegen werden die voraussichtlich anhaltenden Spannungen am Arbeitsmarkt haben. Die geplanten Infrastrukturmaßnahmen werden zudem zu höherer Nachfrage nach Rohstoffen führen. Ebenso sollten die Preise für CO² tendenziell hoch bleiben. Eine Inflationsrate oberhalb der Notenbankvorgaben ist deshalb nicht unwahrscheinlich. Solange moderat erwartete Inflation mit leichten und begrenzten Zinsanhebungen einher gehen, wird dies aber keine nachhaltigen Belastungen für Aktien darstellen.
Auf der politischen Ebene bietet das neue Jahr ebenfalls Sprengstoff. Neben dem Kampf um die technologische Vorherrschaft zwischen China und den USA, steht in Frankreich eine richtungsweisende Wahl an und in den USA beginnen die „Mid-Term-Elections“. Je nach Ausgang steht die Einheit des Europakonstrukts und eine Kandidatur Trumps erneut auf den Prüfstand.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Risiken im Vergleich zum Vorjahr als höher attestiert werden müssen. Sollte sich die Pandemie tatsächlich zur Mitte des Jahres abschwächen, wird dies positive Effekte nach sich ziehen. Technologie bleibt für uns weiterhin der Schlüssel zu zukünftigem Wachstum und damit dauerhafter Bestandteil der Portfolien. Eine COVID-Entspannung würde aber im nächsten Jahr zunächst nochmals den Industriebranchen in die Karten spielen. Eine zu einseitige Ausrichtung ist deshalb nicht sinnvoll.
Unsere vorrangige Aufgabe, das uns anvertraute Kapital risikoadjustiert sicher durch die turbulenten Zeiten zu steuern, nehmen wir sehr ernst und sind zuversichtlich, dies auch im nächsten Jahr erfolgreich zu bewerkstelligen.
Wir wünschen Ihnen ein erfolgreiches, glückliches aber vor allem gesundes Jahr 2022!