Wie beurteilen Sie die Perspektiven für den Dax in der zweiten Jahreshälfte?
Die derzeitige Situation erinnert stark an die Entwicklung kurz vor der Brexitabstimmung. Die Märkte stiegen im Vorfeld eines sicheren Verbleibs von Großbritannien in der Eurozone und wurden dann herb enttäuscht. Falls sich die USA mit China einigen sollten, ist noch lange nicht klar wie das Verhältnis zwischen Europa und den USA aussieht. Somit bleiben die Perspektiven für den Dax kurzfristig mit hohen Unsicherheiten behaftet. Zu Jahresende hin sollten diese aber langsam abebben.
Welche Faktoren könnten den deutschen Leitindex stützen und wo sehen Sie mögliche Stolperfallen?
Größter Treiber für eine Fortsetzung der diesjährigen Rallye könnte die Notenbankpolitik sein. Welche Auswirkungen allein Andeutungen für weitere Lockerungen haben, zeigte die jüngste Vergangenheit eindrucksvoll. Sowohl Draghi für die EZB als auch Powell für die Fed stellten Zinssenkungen in Aussicht und gaben damit den Aktienmärkten direkt enormen Rückenwind.
Da die Märkte inzwischen jedoch eine deutliche Lockerung in Form mehrerer Zinssenkungen einpreisen, besteht allerdings gerade hier die große Gefahr einer Enttäuschung.
Reicht die bisherige Eintrübung der Wirtschaft bereits für drastische Zinssenkungen?
Die Frage bleibt ob die Märkte hier die sich häufenden Bad News der volkswirtschaftlichen Daten nicht mit zu viel falscher Hoffnung als „Good News“ feiern.
Der amerikanische Präsident hat per Tweet jüngst ganz direkt enorme Kritik an der positiven Auswirkung weiterer potentieller Lockerungen der EZB auf den deutschen Leitindex Dax geübt. Dies verstärkt nochmals die Befürchtung, wer das nächste Ziel Trumps für neue Zölle sein könnte.
Inwiefern könnten der Brexit oder andere politische Ereignisse für Störfeuer sorgen?
Mit dem aktuellen Handelsstreit zwischen China und den USA, dem drohenden Handelsstreit zwischen den USA und Europa, dem Problem des italienischen Haushalts oder den sich zuspitzenden Entwicklungen im Brexit liegen aktuell viele Bälle in der Luft, welche direkte Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft haben. In einem Szenario in dem hier mehrere Bälle gleichzeitig runterfallen, ist mit einem größeren Schock und Rücksetzer an den Börsen zu rechnen.
Der Brexit ist für den deutschen Markt sicherlich von höherer Bedeutung als für die globale Weltwirtschaft. Zu viele Jobs hängen direkt oder indirekt an einem funktionierenden Handel mit dem vereinigten Königreich.
Eng zu beobachten bleibt die kreative Lösungsfindung seitens der italienischen Regierung in deren defizitären Haushaltsproblem. Die Einführung von Mini-Bots könnte den Beginn eines Euro-Ausstiegs bedeuten.
Jan-Patrick Weuthen, Vermögensverwalter der B&K Vermögen in Köln