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Markt & Meinung

Deutsche Nebenwerte – Top oder Flop?

von 16. Juni 2025No Comments
Andreas Feldmann

Deutsche Nebenwerte aus dem MDAX und SDAX haben den DAX über Jahrzehnte hinweg oft geschlagen. Der Hauptgrund liegt im stärkeren Wachstumspotenzial kleinerer und mittelgroßer Unternehmen. Diese Firmen sind oft agiler, können sich schneller an neue Marktbedingungen anpassen und sind in vielen Fällen hochspezialisierte Nischenanbieter – sogenannte „Hidden Champions“. Zudem werden sie von Analysten und Großinvestoren seltener beachtet, was dazu führt, dass sie am Markt oft unterbewertet sind und weniger zum „Spielball“ von Analystenkommentaren werden. Langfristige Anleger konnten so von steigenden Bewertungen und überdurchschnittlichem Gewinnwachstum profitieren.

In den vergangenen Jahren gerieten deutsche Nebenwerte allerdings zunehmend unter Druck. Ein wesentlicher Belastungsfaktor war das gestiegene Zinsniveau, das kleinere Unternehmen mit höherem Finanzierungsbedarf stärker trifft. Hinzu kamen konjunkturelle Schwächen in Deutschland und Europa, strukturelle Probleme wie hohe Energiepreise und Bürokratie sowie geopolitische Unsicherheiten. Auch das Sentiment an den Kapitalmärkten spielte hier eine große Rolle: Viele internationale Investoren zogen sich aus Europa zurück und setzten stärker auf die wachstumsstarken US-Tech-Konzerne, die in deutschen Nebenwerteindizes kaum vertreten sind.

 

Seit Anfang 2025 haben sich deutsche Nebenwerte stark erholt und sorgen für großes Aufsehen unter den Anlegern. Ein zentraler Grund war und ist die Zinspolitik der EZB. Die stetig sinkenden Zinsen und die Erwartung der Fortsetzung dieser Politik ist gerade für kleinere, zinssensible Unternehmen eine deutliche Entlastung und treibt die Entwicklung an der Börse massiv an. Gleichzeitig gelten viele Titel nach der jahrelangen Schwäche als unterbewertet. Anleger spekulieren auf ein Aufholpotenzial, insbesondere da Frühindikatoren für die Konjunktur wieder leicht positive Tendenzen zeigen. Frühzyklische Branchen wie Industrie, Maschinenbau oder Automobilzulieferer – stark im MDAX und SDAX vertreten – profitieren davon besonders. Hier ist insbesondere das massive Investitionspaket von über 500 Milliarden EUR für Rüstung und Infrastruktur zu nennen. Insbesondere die Änderung der Bereitschaft zur Schuldenaufnahme für Wachstumsinvestitionen in großem Stile im sonst so konservativem Deutschland hat rund um den Globus für großes Aufsehen gesorgt und wird von den Anlegern honoriert.

Zudem kam die Ankündigung des Pakets zu einem Zeitpunkt, an dem Anleger zuvor aus einer Phase anfänglicher Euphorie einer potentiell Börsentreibenden US-Politik Donald Trumps kamen und Rekordvolumina in amerikanische Aktien investiert hatten. Eine Reallokation der Investitionen erschien somit ohnehin überfällig. Die Ankündigung des Investitionspakets in Deutschland brachte da dann noch den Turbo rein.

 

Der MDAX umfasst mittelgroße Unternehmen, die oft international tätig, finanzstärker und zum Teil stabiler sind als die kleineren Firmen im SDAX. Er gilt daher als weniger volatil und eignet sich für Anleger, die Nebenwerte mit moderaterem Risiko suchen. Der SDAX beinhaltet kleinere, wachstumsorientierte Unternehmen, die stärker auf den deutschen oder europäischen Markt fokussiert sind. Sie bieten höhere Chancen auf überdurchschnittliche Renditen, gehen aber auch mit höheren Schwankungen und Risiken einher. Zudem sind SDAX-Werte meist weniger liquide, was den Einstieg und Ausstieg erschweren kann.

 

Für eine künftig bessere Entwicklung deutscher Nebenwerte spricht vor allem die Kombination aus niedrigen Bewertungen, der Aussicht auf fallende Zinsen und der ersichtliche Trend europäischer Staaten Investitionen in die eigene Stärke und Unabhängigkeit zu fördern. Viele Unternehmen sind trotz schwieriger Jahre operativ solide aufgestellt. Sollte sich das wirtschaftliche Umfeld in Europa verbessern – etwa durch eine Rückkehr zu mehr Industrieproduktion, Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung – könnten insbesondere spezialisierte Mittelständler davon profitieren. Auch die Möglichkeit von Übernahmen durch größere Konzerne oder Finanzinvestoren sorgt für Fantasie, da viele Nebenwerte als attraktiv, aber unterbewertet gelten.

 

Trotz der Chancen gibt es bedeutende Risiken. Deutschland hat strukturelle Standortprobleme – hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie und Fachkräftemangel könnten auch künftig das Wachstum hemmen. Zudem fehlen vielen deutschen Nebenwerten Zugang zu großen Zukunftsthemen wie Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz, die vor allem von US-Tech-Konzernen dominiert werden. Ein weiteres Problem ist die vergleichsweise geringe Liquidität und Sichtbarkeit deutscher Nebenwerte, was internationale Investoren weiterhin abschrecken könnte.

 

Small und Mid Caps aus den USA gelten für viele Investoren als attraktiver. Sie profitieren von einem dynamischen, innovationsfreundlichen Umfeld, größerem Binnenmarkt und einer stärkeren Technologielastigkeit. Besonders im US-Markt finden sich viele wachstumsstarke Small-Cap-Tech-Werte, die in der Vergangenheit deutlich besser performt haben als ihre deutschen Pendants. Maßgeblicher Treiber ist hier der übergeordnete Megatrend der Einbindung von künstlicher Intelligenz in die Produktion und Steuerung der Unternehmen und somit der Steigerung von Produktivität und Gewinn. Diesbezüglich gibt es leider noch keine vergleichbare relevante Antwort aus Europa.

Zudem produzieren und agieren die Small und Mid Caps häufig verstärkt lokal und sind somit die Zielgruppe der Regierung von Donald Trump für die Förderung und Entlastung innerhalb der „MAGA-Bewegung“