Das erste Halbjahr 2022 endete sowohl für Aktien als auch für Anleihen als eines der schlechtesten der Geschichte. Neben dem anhaltenden Ukraine-Russland-Krieg und der durch die chinesische Null-Covid Strategie hervorgerufenen Wachstumsschwäche Chinas sind die Hauptursache eine historisch hohe Inflation sowie der damit verbundene geldpolitische Wechsel in den USA und Europa.
Aufkommende Rezessionssorgen belasteten die Börsen im zweiten Quartal. Der Energiesektor war der einzige Gewinner, während die breiten europäischen und amerikanischen Aktienindizes gut 20% sowie Technologieaktien über 30% einbüßten. Schwellenländer verloren ebenfalls deutlich über 20% an Wert. Der Bereich der besonders innovativen Next-Generation-Aktien verlor in Summe bis zu 50% seiner Marktkapitalisierung. Ein Beben ging auch durch den noch relativ jungen Markt der Kryptowährungen.
Auch die Rentenmärkte verzeichneten den höchsten Verlust seit Jahrzehnten. So gaben beispielsweise die 10 jährigen US- Staatsanleihen im laufenden Jahr um 15% nach. Der deutliche Renditeanstieg der 10 jährigen Bundesanleihen von -0,12% zu Beginn des Jahres auf zwischenzeitlich 1,78% führte auch hier zu einem Kursrückgang von bis zu 13%. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass diese Assetklasse als „sicherer Hafen“ bekannt ist.
Allein die Erwartung von Zinsanhebungen durch die Notenbanken sorgte für erheblichen Druck auf nahezu alle Anleiheklassen. Auch Gold fungierte nicht als die erhoffte Stütze, konnte aber aus Sicht eines EUR-Anlegers zumindest von der USD Stärke profitieren.
Im Gegensatz zu den schwachen Börsen schnellten Energierohstoffe, wie Erdöl und Erdgas, um 70% rasant in die Höhe. Auf der Währungsseite konnte der USD gegenüber nahezu allen Währungen aufwerten, da die FED als erste Notenbank deutliche Zinserhöhungen durchgeführt hat und die USA deshalb als Währungsraum attraktiver für Kapital erscheinen lässt. Ein paralleler Anstieg von USD und Rohstoffen, welche in USD fakturiert werden, ist ebenso historisch. Neben der US-Währung zeigte sich auch der Schweizer Franken sehr fest und notierte gegenüber dem Euro auf Parität.
Grundsätzlich können Leitzinsanstiege deutlich über ein Niveau von 3% hinaus zu rezessiven Tendenzen in der betroffenen Region führen. Die Sorgen um eine Wachstumsverlangsamung in den USA sind also nicht aus der Luft gegriffen, zumal FED-Chef Powell eine entschlossene Inflationsbekämpfung als vorrangiges Ziel nennt. Im Euro-Raum mit seinen hoch verschuldeten Peripherieländern ist ein solches Zinsniveau kaum vorstellbar. Vorlaufindikatoren, wie beispielsweise Einkaufmanagerindizes, weisen auf eine Konjunkturabkühlung in den USA und in der Eurozone hin, aber bisher noch nicht auf eine Rezession.
Die Marktteilnehmer werden ihr Augenmerk verstärkt auf die kommende Berichtssaison legen. Es besteht erhebliches Enttäuschungspotential, denn die Unternehmen sahen sich im ersten Halbjahr, zusätzlich zu Lieferengpässen, mit hohen Rohstoff- und steigenden Energiekosten konfrontiert. Bisher ist es den Unternehmen gelungen, die höheren Kosten weitgehend über Preisanhebungen für die eigenen Produkte weiterzugeben. Sollte dies nun nicht mehr möglich sein, drohen rückläufige Gewinne.
Demgegenüber steht der deutliche Bewertungsrückgang an den Aktienmärkten. Lichtblicke sind die bereits sehr schwachen Stimmungsindikatoren sowie die sehr hohen Cashbestände der Fondsmanager. Wir haben nicht nur die Aktienquote im letzten Quartal weiter reduziert. Auch die Zinssensitivität der Anleiheseite haben wir optimiert.
Zusammenfassend muss man sagen, dass bereits sehr viel Pessimismus und Zinsanhebungsphantasie in den aktuellen Kursen eingearbeitet sind. Eine Bodenbildung kann auf diesem Niveau jederzeit möglich sein. Mit einer nachhaltig freundlichen Markttendenz, sowohl für Aktien als auch für Anleihen, rechnen wir aber erst, sobald die Höchststände der Inflationsdaten zu erkennen sind und der Druck auf die Notenbanken somit abnimmt. Dann wird sich die FED auch wieder der Konjunkturstabilität widmen. Wann genau dieser Punkt in den nächsten Monaten erreicht wird, bleibt abzuwarten.
Zudem sind die weitern Szenarien der Gas-Versorgung zu beobachten. Wir sind davon überzeugt, dass die andauernde Korrektur für langfristig orientierte Anleger zukünftig große Chancen bietet, und sind durch die in den letzten Monaten aufgebaute Liquidität dazu in der Lage, diese entsprechend zu nutzen.